Für ein offenes Ostbelgien
Der Pfarrverband Bütgenbach ist ein Begegnungsort
Der Pfarrverband Bütgenbach ist ein Ort, in dem sich Hiesige und Zugezogene begegnen können, wo sie gemeinsam arbeiten, Informationen erhalten, wo sie lernen, Sport treiben, Spaß haben oder sich für die Gemeinschaft einsetzen.Er ist ein Ort, in dem jede und jeder willkommen ist, wo es auf das Miteinander und nicht auf die Herkunft ankommt.
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Taufe von Salim und Nour am 12. März 2016 in der Elsenborner Pfarrkirche
Müssen wir Flüchtlingen überhaupt helfen oder können wir auch einfach wegschauen? Verantwortung Flüchtlingen gegenüber können wir uns nicht aussuchen, und wir können uns auch nicht sagen, das machen wir oder nicht. Die Verantwortung ist uns als Christen eingegeben, und ob wir wollen oder nicht, die Menschen, die zu uns kommen, verdienen unsere Wertschätzung und Sorge. Deshalb haben wir uns dieser Verantwortung zu stellen, umso mehr, als die weltweiten Flüchtlingstragödien erst begonnen haben.
Die Verantwortung für Flüchtlinge ist Teil unserer christlichen Identität
Wir werden in unseren Tagen Zeugen einer Fluchtbewegung, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt haben. Die Flüchtlinge halten es angesichts der dramatischen Situation in ihrem Land in den Flüchtlingslagern in der Türkei oder im Libanon nicht mehr aus, sondern begeben sich in das nahe Europa.
Was zuvor für viele Menschen ein abstrakter Gedanke war, wird nun im Alltag erfahrbar: Wir sind Teil einer globalen Schicksalsgemeinschaft. Angesichts der großen Zahl von Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, muss die von Papst Franziskus geforderte „Globalisierung der Nächstenliebe“ direkt in unserer Nachbarschaft stattfinden. Als Christen sind wir in doppelter Weise gefordert: Die Fürsorge für Flüchtlinge und Migranten ist Teil unseres Selbstverständnisses, und zugleich haben wir stets das Wohl der gesamten Gesellschaft im Blick. Die Flüchtlingsthematik dürfen wir nicht nur aus der politischen Warte sehen, sondern vor allem menschlich und mit dem Herzen. Diese Menschen willkommen zu heißen, aufzunehmen und ihnen das zukommen zu lassen, was Gott allen Menschen zugedacht hat, ist ein Gebot der Humanität und für uns ein Gebot christlicher Verantwortung.
Als Pastor sehe ich mich innerhalb kurzer Zeit einer Gemeinde gegenüber, in der 10 % Flüchtlinge leben. Schmäh- und Drohbriefe habe ich mir eingehandelt, nachdem ich öffentlich in der Kirche und im Pfarrbrief meine Meinung über die Aufnahme von Flüchtlingen gesagt hatte. Anonym natürlich! Dass mich Hassattacken, Beleidigungen und Vandalismus erreichen würden, hätte ich eigentlich wissen müssen.
Unsere Gesellschaft ist inzwischen stärker gespalten, als ich es mir eingestehe. Die einen sind strikt gegen die „Asylantenschwemme“ und malen den puren Horror an die Wand. Andere reden die Probleme bei der Integration so vieler Flüchtlinge klein. Mich treibt überdies die große Sorge um: Was wird aus unserer Gesellschaft mit ihrer Orientierung an den Menschenrechten, wenn erst einmal richtig öffentlich wird, wie viele Menschen schon insgeheim fremdenfeindlich denken und fühlen?
Ich bin erschrocken, wie viel Verachtung und Hass gegenüber Flüchtlingen in Gesprächen und in den sozialen Netzwerken verbreitet wird. Ein Zeichen völliger Enthemmung und des Verlustes jeglicher Zivilisiertheit wie auch ein Zeichen fehlender Einsicht in eine schwierige Wirklichkeit. Besonders erschreckend ist es, dass dieser Hass manchmal von Menschen geteilt wird, die sich selbst als christlich bezeichnen und um ihre christliche Identität bangen. Sich hingegen der Verantwortung zu stellen, erfordert einen Gedankengang mehr und ist ein Zeichen von Stärke und Mut.
Wie viele Kommentare geben Menschen von sich, bevor sie überhaupt hilfesuchende Flüchtlinge oder Asylbewerber erlebt haben. Auf Fremde werden erfahrungsgemäß alle verfügbaren Vorurteile gerichtet. Schnell werden sie zu Sündenböcken, und Futterneid nimmt aggressive Formen an, als ob „die“ uns alles wegnähmen, als ob Flüchtlinge uns hier faul und anspruchsvoll auf der Tasche lägen. Reflexartig wird immer davon geredet, sie kämen hierher, um sich ein Leben in Luxus aufzubauen. Dabei kommen sie nicht aus wirtschaftlicher, sondern aus existentieller Not. Es geht ihnen ums nackte Überleben, nicht ums luxuriöse Leben. Aber weil viele unter uns die Sorge ums luxuriöse Leben umtreibt, hören sie auf jene, die die Not in Luxusbedürfnis ändern. „Die Wohlstandskultur macht uns unempfindlich für die Schreie der anderen und führt zur Globalisierung der Gleichgültigkeit", sagte Papst Franziskus in seiner Predigt auf Lampedusa am 8. Juli 2013.
Wir brauchen nicht nur mehr Willkommensgesten, freundliche, geduldige und persönliche Begleitung. Es bedarf einer Anstrengung jedes einzelnen, Flüchtlinge menschenwürdig aufzunehmen, die in den Lagern leben, nichts zu tun haben und warten müssen, warten, warten – und dabei eine ungewisse Zukunft vor sich haben. Das kann nicht ohne Konflikte geschehen. Wir alle stehen in der Verantwortung, uns umfassender über die Problemlage zu informieren und Gewaltexzessen zügig und konsequent zu begegnen.
Zugleich stehen wir in der Verantwortung, alles Erdenkliche zu tun, damit aus Überfremdungsängsten nicht Fremdenfeindlichkeit und Aggression gegen Flüchtlinge werden. Befürchtungen müssen ernst genommen, Konflikte nicht blauäugig weggeredet werden. Wir müssen die Abwehrgefühle nicht nur ernst nehmen, sondern auch den Mut haben, uns diesen zu stellen. Zugleich haben wir die Aufgabe, Andersdenkenden klar zu verdeutlichen, wo die Grenzen von Intoleranz liegen.
Seit vielen Jahrzehnten vorausgesagt, kommen Menschen aus den hoffnungslosen Hungerländern im Süden, aus unmenschlichen Bürgerkriegen oder mit den unterschiedlichsten Erwartungen in die noch reiche Nordhälfte der Welt. Die weltweiten Flüchtlingstragödien haben erst begonnen. Sie haben mit uns, unserem Lebensstil und unserem Wohlstand zu tun, denn eine "Weltwirschafts-Un-Ordnung" mit Überfluss- und Elendsländern und unser Profitdenken verschärfen die Konflikte weltweit.
Unsere Lebens- und Wirtschaftsweise entzieht vielen Menschen andernorts die Lebensgrundlage. Wir alle tragen Verantwortung an den Problemen rund um den Globus. Sehen wir die Hintergründe und Ursachen der Flüchtlingsbewegungen: Klimaveränderungen, Kriege, Verfolgung, Zusammenbruch staatlicher Gewalt, extreme Armut. An diesen Fluchtursachen ist unsere Gesellschaft mitschuldig durch globale Handelsbeziehungen, Waffenlieferungen und nicht zuletzt durch einen Lebensstil, der die Ressourcen der Erde verbraucht. Jeder einzelne ist mitverantwortlich für die Bedingungen, die Menschen in die Flucht treiben. Hier können wir zur Veränderung beitragen, z. B. indem wir uns engagieren für den fairen Handel und ein Bewusstsein für kritischen Konsum schaffen. Wir leben heute auf dem reichsten Kontinent der Welt. Aus dieser mehrfach privilegierten Situation heraus kommt uns eine große Verantwortung zu, unsere Wirtschafts- und Lebensstile grundlegend zu überprüfen, um für alle Menschen weltweit und für kommende Generationen Lebensqualität zu schaffen.
Eine Umkehr von diesen ungerechten Verhältnissen liegt in unserer Verantwortung. Was wir alle schon als Problem wahrgenommen haben, erleben wir nun in Gestalt hilfesuchender Menschen ganz nahe.
Lothar Klinges
Gesinnungs- und Verantwortungsethik: Verantwortung ist gefragt
In der Frage nach der Verantwortung Flüchtlingen gegenüber, prallen gesinnungs- und verantwortungsethische Sichtweisen aufeinander. Die anfängliche Euphorie, mit der auch in Elsenborn die ankommenden Flüchtlinge willkommen geheißen wurden, und die bewundernswerte spontane Hilfsbereitschaft der Bevölkerung sind Ausdruck einer gesinnungsethischen Haltung. Um mögliche Folgen für die Gesellschaft - und damit womöglich auch für die Flüchtlinge selbst – macht sie sich keine ausreichenden Gedanken.
Verfechter dieser Ethik treten nicht selten mit einem hohen Anspruch auf. Wer auf mögliche Probleme bei der Bewältigung der anstehenden Integrationsaufgaben hinweist, auf möglich Folgen, weil es zu einem Verteilungskampf in der Gesellschaft kommen könnte, läuft Gefahr, als Rechter und Rassist beschimpft zu werden.
Wer verantwortlich in der Flüchtlingsfrage handeln will, kann nicht darüber hinwegsehen, dass der freundliche Empfang, die Hilfsbereitschaft und sogar Toleranz allein nicht genügen. Es müssen Maßnahmen getroffen werden, damit die Fremden sich integrieren können. Hier ist jeder einzelne gefordert, der Gesinnung einer Willkommenskultur, auch danach bei der Integration Verantwortung zu übernehmen. Wir werden dabei lernen müssen, bescheidener in unseren Ansprüchen zu werden, und bereit sein, unseren Wohlstand mit anderen zu teilen. Nur durch eine solche Einstellung werden wir die Flüchtlinge als Mitmenschen aufnehmen und achten. (kli)
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