Das Heilige Jahr ging mit der Schließung der hl. Pforte zu Ende
Sich nicht von der Angst der Populisten leiten lassen
Am Sonntagnachmittag durchschritten die Christen ein letztes Mal die hl. Pforte der St.Vither Pfarrkirche, die vom Lütticher Diözesanbischof Jean-Pierre Delville zur Pilgerkirche der Deutschsprachigen Gemeinschaft im hl. Jahr auserwählt wurde.von Lothar Klinges
Mit einer Kerze in der Hand zogen die etwa 150 Gläubigen, die an der Schließungsfeier teilgenommen haben, durch die von den Kontaktgruppen des St.Vither Pfarrverbandes gestaltete Pforte. Damit machten sie deutlich, dass sie auch im Alltag den Weg der Barmherzigkeit weiter gehen möchten. Die Kerzen, die von Mitgliedern des Heilig-Jahr-Komitees an der Heilig-Jahr-Kerze entzündet wurde, sollte zum Ausdruck bringen, dass Jesus Christus den Menschen mit seiner Botschaft der Barmherzigkeit voranleuchten soll.
Mit dem Christkönigssonntag endete das außerordentliche Heilige Jahr der Barmherzigkeit, das Papst Franziskus ausgerufen hatte. Ein äußeres Zeichen dafür war die Schließung der Heiligen Pforte am Petersdom in Rom. Da es der Wunsch des Papstes war, dass es auch an den Bischofskirchen und an ausgewählten Wallfahrts- und Pilgerkirchen überall in der Welt Pforten der Barmherzigkeit geben sollte, wurde auch die hl. Pforte in St.Vith zum Abschluss des Heiligen Jahres geschlossen. "Es war ein schönes Zeichen für die DG, dass der Lütticher Bischof auch eine Kirche in Ostbelgien als Pilgerkirche bestimmt hat", sagte Fina Keifens, die als bischöfliche Delegierte den Bischof in Ostbelgien vertritt. Sie dankte allen Menschen, die sich an der Gestaltung des hl. Jahres in Ostbelgien beteiligt haben, so den verschiedenen Kontaktgruppen und Pfarrverbänden, den Christen, die Glaubenszeugnisse zu den Werken der Barmherzigkeit gegeben haben sowie den Künstlern und Künstlergruppen, die jeden Monat zu einem dieser Werke ein Kunstwerk geschaffen haben. Fina Keifens rief den Christen zu, auch nach der Schließung der hl. Pforte die Herzenstüren offen zu halten, um im Miteinander barmherzig zu bleiben.
Den populistischen Parteien, die mit der Angst der Menschen spielen, sie so in den Griff bekommen und zu unbarmherzigen Menschen machen, stellte Dechant Claude Theiss in seiner Ansprache die Liebe entgegen, die mutig und kreativ macht und Menschen in Bewegung setzt. "Wovon lassen wir uns in unserem Leben und in unseren Entscheidungen leiten?" Der Dechant rief jeden Teilnehmer auf, eine persönliche Bilanz des hl. Jahres zu ziehen und mit Blick auf das Evangelium vom guten Samariter wie der Gastwirt an der Heilung mitzuwirken und weiterhin "in der Bewegung der Barmherzigkeit zu bleiben."
Claude Theiss rief den Gläubigen bei der Abschlussfeier zu: "Lasst uns die Türen des Herzens offen halten, damit Gottes Barmherzigkeit immer wieder in uns Einzug halten kann und damit durch uns seine Barmherzigkeit weiter fließen kann, wie ein Strom, der ins unendliche Meer mündet."
Zum Abschluss des hl. Jahres führten wir ein Gespräch mit Dechant Claude Theiss und fragten ihn nach seiner persönlichen Bilanz.
Herr Dechant, es ist viel über das Jahr der Barmherzigkeit geredet worden. Wo hat man es auch gemerkt? Ist das Jahr der Barmherzigkeit möglicherweise an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbeigegangen?
Wenn ich auf einzelnen Angebote der Pilgerkirche schaue, hat sich doch hier und da konkret etwas getan. Ich bin überzeugt, dass wir nicht zu hohe Erwartungen stellen dürfen. Ich erwarte keine großen Sprünge. Es ist viel wichtiger, kleine Schritte zu gehen. Es haben sich schon mal viele Menschen intensiver mit den Werken der Barmherzigkeit auseinandergesetzt.
Barmherzigkeit wird zwar gepredigt, aber man hat das Gefühl, in der Gesellschaft wird das Klima unbarmherziger. Was läuft da schief?
Man hat der Kirche lange Zeit vorgeworfen - nicht ganz zu Unrecht - dass sie die Menschen gefangen hielt durch die Angst. In der Gesellschaft heute läuft es ähnlich. Wer mit den Ängsten der Menschen spielt, beziehungsweise diese Ängste gezielt für seine Zwecke benutzt, der hält die Menschen in Bann. Insofern können Menschen in Politik und Religion uns zu ganz unbarmherzigen Menschen werden lassen. Jesus hat eine andere Sicht. Genau dieses oft gegensätzliche Handeln, wozu Jesus uns aufruft, schreckt dann eher ab, als dass es begeistert. Es ist gar nicht so einfach, Menschen dazu zu bringen, sich nicht von ihren Ängsten leiten zu lassen, sondern ihm Liebe und Vertrauen entgegen zu setzen.
Im Mittelpunkt des Heiligen Jahres stand die Botschaft der Barmherzigkeit. Hat die Botschaft gezündet, ist sie angekommen? Was hat das Jahr der Barmherzigkeit Neues gebracht?
Ich glaube, dass die Botschaft gezündet hat. Meine Frage ist, können wir genügend Geduld und Vertrauen aufbringen, dass da im Tiefen und Verborgenen etwas zu wachsen begonnen hat. Ähnlich wie bei einem Samenkorn, müssen wir darauf achten, dass genügend Wasser, Wärme und Licht da ist, um Keimung und Wachstum zu fördern. Vielleicht ist es gerade diese Erkenntnis von Geduld, Vertrauen und Hoffnung, die neu ist.
Gab es für Sie Ereignisse oder Momente in diesem Jahr, die besonders herausstachen?
Viele Mitchristen haben sich sehr ansprechen lassen von den sogenannten Monatsgottesdiensten in der Pilgerkirche. Dort haben Menschen Zeugnis gegeben von ihrem Weg, das jeweilige Werk der Barmherzigkeit zu leben. Schon allein dieser Gedanke, dass einmal im Monat ein Zeugnis die Predigt ersetzen kann, ist für mich eine Leben spendende Neuerung. Das sollten wir nach Möglichkeit beibehalten.
Franziskus hat das Heilige Jahr von einer romzentrierten zu einem weltkirchlichen Geschehen gemacht. Inwiefern ist das Konzept in St.Vith aufgegangen, das Heilige Jahr nicht nur in Rom, sondern in der ganzen Weltkirche zu feiern? Wie fällt dann die Bilanz für die St.Vither Pilgerkirche aus?
Diese Dezentralisation der Pilgerorte war zuerst eine große Herausforderung. Durch diesen Auftrag, Pilgerkirche zu sein, sind wir als verantwortliches Komitee gerufen worden, uns intensiver mit den Werken der Barmherzigkeit auseinander zu setzen. Das Erarbeiten der Plakate und des Pilgerheftes waren zeitaufwendige aber auch sehr bereichernde Momente. Wir haben meines Erachtens nach viel daraus gemacht. Zahlreiche Angebote in St.Vith aber auch in den Ortschaften selbst, wenn ich zum Beispiel an die monatlichen Wortgottesdienste zu den Werken der Barmherzigkeit denke. Dadurch haben wir auch ganz unterschiedliche Menschen angesprochen.
Papst Franziskus wollte mit dem Jahr der Barmherzigkeit das "vergessene" Bußsakrament wieder stärker in den Mittelpunkt rücken. Ist das im Dekanat Eifel, in Ostbelgien gelungen?
Der Tag der Versöhnung am 5. März 2016 war eine sehr gute Initiative des Papstes. Wir haben uns auf sehr unterschiedliche Weise mit der Vergebung auseinandergesetzt: Bibelwanderung, Spiel, Singen, Gebet, Stille und natürlich auch das Sakrament selbst. Das Sakrament der Versöhnung hat sich über Jahrzehnte aus unserer Praxis geschlichen. Es wird deshalb auch nicht durch ein paar Initiativen wieder plötzlich im Mittelpunkt stehen. Sich aber der Barmherzigkeit, der Liebe Gottes neu bewusst werden, ist ein guter Schritt in Richtung Versöhnung.
Wie geht es denn nun nach dem Ende des Heiligen Jahres weiter? Welche bleibende Bedeutung hat seine Botschaft der Barmherzigkeit?
Ich glaube, dass wir der Barmherzigkeit sehr intensiv auf der Spur bleiben werden. Ganz bestimmt, wenn wir uns im kommenden Pastoraljahr, dem Lutherjahr, mit der Bibel als meine und unsere Quelle auseinandersetzen werden. Es ist ein großes Geschenk, dass uns der Papst eröffnet hat. Ich bin überzeugt, dass es noch lange nicht in den Sperrmüll gelangt. Natürlich weiß ich, dass nur ein kleiner Teil der Getauften und der Bevölkerung dieses Jahr intensiver gelebt hat. Aber ich weiß auch, wie wichtig der Sauerteig ist, wenn er sich unter den Restteig mischen lässt.